Ein Teil des Kita-Stresses ist hausgemacht
und kann deshalb auch verringert werden

Über den Zusammenhang von pädagogischer Konzeption und
Belastungen im Erzieher/innenalltag

 

Nur wenn die Gruppenstruktur und damit die pädagogische Konzeption einer Kita „aufgeht“, besteht die Chance, die besonders belastenden Stress-Spitzen aus dem Arbeitsalltag der Erzieher/innen zu entfernen

Burn-out, hoher Krankenstand, schlechte Stimmung, belastende Arbeitsbedingungen: der Beruf der Erzieherin ist in vielen Fällen nicht mehr der Traumberuf, als den ihn sich junge Menschen bei der Berufswahl ausgesucht haben.

Zusätzlich sind in den letzten Jahren im Zusammenhang mit der Diskussion über die Kita als Bildungseinrichtung die fachlichen Anforderungen an jede/n einzelne/n Erzieher/in enorm gestiegen, ohne dass die Rahmenbedingungen, hier insbesondere die Personalausstattung der Kindertageseinrichtungen, diesen höheren Anforderungen durch zusätzliche Stellen angepasst worden wären.

Aufgaben wie Konzeptionsdiskussion, Qualitätsmanagement, Beobachtung und Dokumentation, Entwicklungsgespräche mit den Eltern etc. müssen in den Arbeitsalltag der Erzieherin integriert werden, ohne dass sich dadurch die Anzahl der Kinder oder die zu gewährleistenden Betreuungsstunden reduziert hätten.

Diese unbestreitbaren Belastungsfaktoren überdecken ein grundlegendes Thema für die Gesundheitsprävention und die Gesunderhaltung von Erzieherinnen: die innere Organisation und damit die pädagogische Konzeption der Kindertageseinrichtung als Grundlage für die Möglichkeiten der Ausgestaltung des Arbeitsalltags von Erzieher/inne/n.

 

Phasen höchster Anspannung wechseln sich ab mit Phasen relativer Ruhe

 

Folgende Sicht auf die Belastung der Erzieherin im Jahresverlauf findet in der Regel ungeteilte Zustimmung:

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Es kommt im Arbeitsalltag immer wieder zu Zeiten und Situationen, in denen die/der Erzieher/in hoch belastet ist, weil Kolleg/inn/en ausfallen durch Urlaub, Krankheit, Fortbildung oder Überstundenausgleich, die Kinder aber – mehr oder weniger – kontinuierlich anwesend sind. Die Belastungsspitzen sind also gekennzeichnet durch eine Arbeitssituation, in der viel zu viele Kinder auf die/den einzelne/n Erzieher/in „entfallen“, Zeiten also, in denen die/der einzelne Erzieher/in für viel zu viele Kinder verantwortlich ist. „Irgendwie“ schaffen es Erzieher/innen aber immer wieder, diese Situationen zu meistern, auch wenn die Qualität der Arbeit, die fachlichen Ansprüche und die Gesundheit der Erzieher/innen darunter leiden.

Würde allerdings das gesamte Arbeitsjahr über in dieser Form gearbeitet werden müssen, wäre der „Job“ nicht lange auszuhalten. Aber der Urlaub der Kollegin endet in zwei Tagen, und die Krankschreibung der anderen geht morgen zu Ende, und dann sind endlich wieder alle da: Zeit, mal tief durchzuatmen, endlich weiter mit den Kindern am Projekt zu arbeiten und sich mit den Kollegen auszutauschen.

Die Belastung der/des einzelnen Erzieher/in sinkt deutlich, was an der geringeren Anzahl an Kindern bemerkbar ist, für die sie an solchen Tagen die Verantwortung trägt. „Wenn alle da sind, kommen wir eigentlich ganz gut klar“, ist die verbreitete Aussage hierzu. Die Berg- und Talbahn befindet sich also gerade in der Talsohle = geringere Arbeitsbelastung.

Aber dass diese „Freude“ nicht lange währen wird, weiß jede/r Erzieher/in aus Erfahrung: nächste Woche geht eine Kollegin für 3 Tage auf Fortbildung und die Kollegin in der Nachbargruppe macht so einen angeschlagenen Eindruck…

Rasch befindet man sich wieder bei einer Belastungsspitze: ausfallende Kolleg/inn/en nehmen leider „ihre“ Kinder nicht mit zur Fortbildung oder zu ihrem Hausarzt, so dass die in der Kita verbliebenen Erzieherinnen mit zu vielen Kindern den Alltag gestalten müssen: Stress!

Alle wollen Kontinuität und Verlässlichkeit

Dabei würden alle am Kita-Geschehen Beteiligten, also Eltern und ihre Kinder, der Träger, aber auch die Erzieher/innen am liebsten kontinuierliche, verlässliche Abläufe vorfinden, wie sie durch die mittlere, sanft geschwungene Linie symbolisiert werden sollen: keine ausgefallenen Projekte, keine Gruppenzusammenlegungen, keine Dienstverschiebungen, kein Auf und Ab in der Arbeitsbelastung, kurz: keine Feuerwehrsituationen. Diese sind nämlich am anstrengendsten und können in ihrer negativen Wirkung auch durch die „ruhigeren“ Zeiten nicht wieder ausgeglichen werden.

Zumindest Schritte hin zu der mittleren Linie der ruhigeren, kontinuierlichen Arbeitsabläufe sind in vielen Kitas möglich. Belastungsspitzen zumindest abflachen, das können sich viele Kitas auf die Agenda setzen, denn vorhersehbare Stress-Situationen kann man präventiv bearbeiten.

Allerdings soll an dieser Stelle nicht darum herum geredet werden, dass die Stressspitzen, die ja bedeuten, dass zu viele Kinder mit zu wenigen Erzieher/inne/n in der Kita anzutreffen sind, nur dann abgebaut werden können, wenn die „ruhigeren“ Zeiten, also die Belastungstäler, die ja durch relativ weniger Kinder und mehr Erzieherinnen gekennzeichnet sind, ebenfalls in´s Visier geraten.

 

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Folgender Gedanke liegt dem zu Grunde: Jeder Kita steht das Jahr über eine feste, durch die gesetzlich in jedem Bundesland vorgeschriebene Mindestpersonalausstattung vorgegebene Anzahl an Erzieher/innen-Arbeitsstunden zur Verfügung. Die Anzahl der Kinder, die jeden Tag die Kita besuchen, ist – abgesehen von Ferien- und anderen betreuungsärmeren Zeiten – das Jahr über relativ konstant. Wenn jetzt im Dienstplan einer Kita – relativ zum übrigen Jahr – über einen bestimmten Zeitraum wenige Kinder mit vielen Erzieher/inne/n „vorkommen“, so muss das in der Folgezeit zur Konsequenz haben, dass auch Zeiten vorkommen, in denen – wiederum relativ zum übrigen Jahr – viel zu viele Kinder mit viel zu wenigen Erzieher/inne/n in der Kita sind. Denn jede Erzieher/innen-Arbeitsstunde kann nur einmal „gearbeitet“ werden. Danach ist sie „weg“, „verbraucht“. Und für den Rest des Jahres bleiben nur noch „weniger“ Stunden übrig. Wenn aber, wie gesagt, die Anzahl der Kinder relativ konstant ist, kann das Mehr an Erzieher/inne/n zum einen Zeitpunkt nur ein Weniger an Erzieher/inne/n zu einem späteren Zeitpunkt zur Folge haben. Hier liegt die Ursache für die Berg- und Talbahn.

Die Erzieher/innen, die man einsetzen muss, um in den stressigsten Zeiten für Entlastung sorgen zu können (Spitzen), müssen in den „ruhigeren“ Zeiten (Täler) aus dem Dienstplan rausgenommen werden. Nur so kann man sich der kontinuierlicheren Mittellinie nähern.

Insgesamt wird durch diese Herangehensweise zwar kein Kind weniger in der Kita betreut, und keine Erzieher/innen-Arbeitsstunde ist vom Träger zusätzlich eingesetzt worden, und die „ruhigeren“ Zeiten, in denen es die/der Erzieher/in mal endlich mit einer überschaubaren Anzahl an Kindern zu tun hatte, sind seltener. Man könnte deshalb auch sagen, die Arbeitsbelastung der einzelnen Erzieherin ist, gemessen an den bisherigen ruhigeren Zeiten, erhöht worden. Das stimmt. Dafür sind aber auch die Belastungsspitzen abgeflacht, der allergrößte Stress aus dem Alltag genommen worden, Und das senkt die subjektiv empfundene Arbeitsbelastung der/des Erzieherin/s erheblich, erhöht die Arbeitszufriedenheit und macht, was erst Schritt für Schritt auch von den Arbeitsmedizinern wahrgenommen wird, tatsächlich gesünder.

Die Gruppenstruktur der Kita als Schlüsselthema

Soweit die Theorie. Aber was bedeutet das in der Praxis?

Hier kommt die Gruppenstruktur, also das System ins Spiel, nach dem in der Kita Kinder und Erzieher/innen zueinander sortiert sind.

In kaum einem Kita-Gesetz ist festgelegt, wie die Gruppenstruktur einer Kita auszusehen hat. Den Trägern von Kitas wird über die gesetzlich festgelegte Mindestpersonalausstattung lediglich ein Erzieher/innen-Arbeitsstundenvolumen bezogen auf eine bestimmte Anzahl von Kindern in einem bestimmten Alter vorgeschrieben.

Je jünger die Kinder, desto mehr Personalstunden müssen zur Verfügung stehen. Oft gibt es auch noch ein kompliziertes System von Personalzuschlägen für Kitas in sozialen Brennpunkten, für Kitas mit vielen Kindern nichtdeutscher Herkunftssprache (Berliner Jargon), für Kitas mit Integrationsgruppen etc.

Im Ergebnis steht aber immer ein festes Volumen an Erzieher/innen-Arbeitsstunden fest, dem eine ebenso feststehende Anzahl an Kindern zugeordnet ist.

Wie diese Anzahl an Erzieher/innen-Arbeitsstunden in Stellen aufgeteilt wird, ist aber bereits die Entscheidungshoheit des Trägers. Ob 120 Erzieher/innenwochenstunden in 3 Stellen á 40 Wochenstunden oder in 4 Stellen á 30 Wochenstunden oder in 2 Stellen á 40 plus 2 Stellen á 20 Wochenstunden geteilt werden, kann der Träger festlegen.

Und ob die Kindergruppen altersgemischt mit Kindern von z.B. 2 bis 5 Jahren, oder als reine Krippen- und Kindergartengruppen, und hier wiederum in welcher Größe die Gruppen zusammengestellt werden, ist auch Entscheidungshoheit des Trägers.

Die meisten Kitas haben ihre Gruppenstruktur in vielen Jahren der pädagogischen Praxis fort- und fortentwickelt, und manchmal scheint es so, als wäre an der Struktur nichts veränderbar. Sei es aus räumlichen Gründen oder weil der pädagogische Alltag Veränderungen unmöglich erscheinen lässt. Dabei sollte allein die Unterschiedlichkeit der Kitas – und es gleicht in der Regel nicht eine einzige Einrichtung der anderen – den Gedanken nahe legen, dass der Ist-Zustand immer das Ergebnis einer langen Entwicklung und damit gemacht ist, was aber gleichzeitig bedeutet, dass er auch veränderbar ist.

Ein in der Bundesrepublik weit verbreitetes Gruppensystem ist das folgende:

Jeweils zwei pädagogische Fachkräfte (Erzieher/innen und Zweitkräfte) arbeiten in einer Gruppe zusammen, die beispielsweise ca. 25 Kinder im Kindergartenalter umfasst.

2 Erzieher/innen, eine Gruppe, 25 Kinder: in unserer Beispiel-Kita mit drei Gruppen sind das zusammengenommen 75 Kinder und 6 pädagogische Kräfte.

Es können nie alle pädagogischen Kräfte anwesend sein!

Aber diese 6 pädagogischen Kräfte stehen nur auf dem Papier. Im Folgenden soll erklärt werden, warum dieses Gruppensystem NIE funktionieren kann – jedenfalls statistisch. Und warum dieses Gruppensystem IMMER zu einer Arbeitssituation nach dem Prinzip der Berg- und Talbahn und damit zu Stress, Unzufriedenheit und letztlich vielleicht sogar zu erhöhtem Krankenstand führen muss.

 

(Grafik)

 

Nehmen wir also an, jede/r der Pädagog/inn/en hätte:

  • sechs Wochen Urlaub, wäre
  • 2 Wochen im Jahr Krank, würde
  • 5 Tage im Jahr Fortbildungen besuchen und insgesamt
  • 100 Stunden im Jahr für Elternabende, Teamsitzungen, Vor- und Nachbereitung der pädagogischen Arbeit etc. (kinderfreie Arbeitszeit) benötigen.

Dann würde jede/r der 6 Pädagog/inn/en über 11 Wochen im Jahr nicht für die Arbeit mit den Kindern zur Verfügung stehen. Die gegenwärtig diskutierten Bedarfe für den Umfang an kinderfreien Arbeitsstunden pro Erzieher/in pro Woche liegen weit höher als 100 Stunden im Jahr. Die Realität hängt aber meiner Erfahrung nach in weiten Teilen der Bundesrepublik Deutschland der Diskussion noch weit hinterher. Keine der aufgeführten Zahlen ist also irgendwie übertrieben oder unrealistisch.

Wenn also 6 Pädagog/inn/en jeweils 11 Wochen im Jahr nicht in der Arbeit mit den Kindern eingesetzt werden können, dann macht das zusammengenommen 66 Arbeitswochen.

Ein Arbeitsjahr hat aber nur ca. 50 Arbeitswochen. Das bedeutet, dass das gesamte Arbeitsjahr über ein/e Erzieher/in und zusätzlich 16 Wochen im Jahr ein/e zweite/r Erzieher/in nicht anwesend ist. Anders ausgedrückt: von den 6 Erzieher/inne/n sind das ganze Jahr über im Durchschnitt nur 5 tatsächlich anwesend, und 16 Wochen lang sind es sogar nur 4 Erzieher/innen.

In unserer Beispiel-Kita bedeutet das konkret: jeden Tag steht eine Erzieherin allein da mit 25 angemeldeten Kindern, nicht immer die selbe Erzieherin, aber jeden Tag EINE. Und 16 Wochen lang noch eine zweite. Dass die allein arbeitende Erzieherin eine Belastungsspitze „erlebt“, ist deutlich. Dass bei einem Zahlenverhältnis von 1 Erzieher/in zu 25 Kindern von einer individualisierten, auf das einzelne Kind bezogenen Pädagogik, wie sie in den Bildungsprogrammen in allen Bundesländern gefordert wird, nur schwerlich zu reden sein wird, ist ebenso deutlich. Der Stress und die Überforderung durch die hohe Anzahl der Kinder und die Unmöglichkeit, die fachlich gestellten Forderungen erfüllen zu können, ist unvermeidlich.

Aber was ist zu tun?

Der oben entwickelten Logik folgend müssen die Erzieher/innen-Arbeitsstunden, die man zum Abflachen der Belastungsspitzen braucht, aus den „ruhigeren“ Zeiten entnommen werden. Diese wären in unserem Fall die Zeiten, wenn alle Erzieher/innen anwesend sind. Auf dem Papier sind sie das ja auch, nur eben in der Realität nicht. Also müssen die durchschnittlich fehlenden Erzieher/innen auch auf dem Papier aus dem Organisationsschema der Kita herausgenommen werden. Zum Beispiel in der folgenden Weise:

 

(Grafik)

 

 

Die Kinder werden nicht mehr in 3, sondern nur noch in 2 Gruppen aufgeteilt. Jede der Gruppen umfasst dann allerdings nicht mehr 1/3 der Kinder der Kita, sondern die Hälfte. In wirklichen Zahlen unseres Beispiels: jede Gruppe umfasst jetzt statt 25 Kindern die unglaubliche Zahl von 37 Kindern! 2 Erzieherinnen und 37 Kinder! Skandal! Skandal?

Schauen wir uns das obige Schema genauer an: nach wie vor sind 6 Erzieher/innen in der Kita angestellt. Nach wie vor sind 75 Kinder in der Kita angemeldet. Insofern hat sich nichts geändert.

Allerdings ist die Gruppenstruktur jetzt den Realitäten angepasst und damit funktionsfähig. Nur noch die 4 durchschnittlich das ganze Jahr über anwesenden Erzieher/innen werden im Gruppenschema eingesetzt, in jetzt natürlich größeren Gruppen. Die 2 Erzieher/innen, die durchgängig, bzw. über längere Zeiträume des Jahres sowieso nicht in der Arbeit mit den Kindern vorkommen, werden im Organisationsschema als übergreifende Kräfte eingesetzt.

Obwohl natürlich eine Gruppengröße von 37 Kindern völlig wahnsinnig klingt, ist in dieser Gruppe das ganze Jahr über sichergestellt, dass zwei Erzieher/innen auch TATSÄCHLICH jeden Tag anwesend sind. Denn entweder sind die beiden Gruppenerzieher/innen anwesend, oder es gibt ganz sicher Ersatz durch die übergreifend eingesetzten Erzieher/innen, wenn eine ausfällt.

Die tatsächliche Erzieher/innen-Kind-Relation beträgt 1 Erzieher/in zu 18 angemeldeten Kindern. Sie ist damit zwar deutlich höher als bei einer Gruppe von 25 angemeldeten Kindern und 2 Pädagog/inn/en (1:12), aber eben auch deutlich geringer als im alten Organisationsschema mit drei Gruppen, in dem IMMER eine, und oft noch eine zweite Erzieherin mit 25 angemeldeten Kindern ALLEIN dastand (1:25).

Weil in der Realität ja von den 6 Pädagog/inn/en häufig, nämlich ca. 30 Wochen im Jahr, 5 anwesend sind, reduziert sich die Erzieher/innen-Kind-Relation im Alltag in diesen Wochen auf eine Erzieherin zu 15 angemeldeten Kindern (1:15).

Auch bei diesen Zahlen darf noch gezweifelt werden, dass dem fachlichen Anspruch nach einer individualisierten Pädagogik im Alltag wirklich nachgekommen werden kann. Die Gesetzgeber müssen den Widerspruch zwischen gesetzlich fixierten fachlichen Ansprüchen und den zur Verfügung gestellten personellen Ressourcen bald auflösen, um die Weiterentwicklung der Kitas zu ermöglichen.

Aber die dargestellte Erzieher/innen-Kind-Aufteilung verbessert selbst unter den unzureichenden derzeitigen Rahmenbedingungen die Arbeitssituation der einzelnen Erzieherin deutlich. Das Abflachen der Belastungsspitzen „zu Lasten“ der Belastungstäler führt dazu, dass mehr Kontinuität und Verlässlichkeit in den Arbeitsalltag einkehren kann, und die Situation nicht jeden Tag neu überdacht, Planungen über den Haufen geworfen und neue Dienstpläne geschrieben werden müssen. An Stelle der immer wieder auftretenden 1:25 – Situationen kommen maximal 1:18 – Situationen vor. Und wer die Arbeit mit Kindern aus eigenem Tun kennt, kann schwerlich abstreiten, dass 7 Kinder weniger für eine/n Erzieher/in einen ganz erheblichen Unterschied ausmachen.

Es geht auch noch anders: als Team agieren!

Zugegebener Maßen, in meiner Beratungspraxis kommen die „Großgruppen“ nach dem obigen Modell seltener vor, als das im Folgenden zu beschreibende Modell, das aber keineswegs leichter „zu haben“ ist:

Gehen wir davon aus, dass die Abkehr von der gewohnten 2 Erzieher/innen-eine Gruppe-Struktur nicht gewünscht wird, weil sie einfach einen zu großen Schritt weg von den bisherigen Arbeitsstrukturen bedeutet.

Was kann getan werden, um diejenige Erzieherin, die es gerade heute wieder getroffen hat allein in der Gruppe zu stehen (und eine trifft es ja immer), zu entlasten und der Situation, die subjektiv als besonders erschwerend empfunden wird und damit stresst, zu begegnen, dass die/der betroffene Kollegin/e mit 25 Kindern allein dasteht, während in der Nachbargruppe 2 Kolleg/inn/en mit jeweils 12 bzw. 13 Kindern arbeiten können?

Die Lösung liegt auf der Hand: die Gruppen werden zumindest über weite Teile des Tages geöffnet, die pädagogischen Angebote der tatsächlich anwesenden 5 Erzieher/innen richten sich an alle 75 angemeldeten Kinder. Die Kindern haben die Möglichkeit, sich unter den 5 Angeboten eines auszuwählen und sich – im Idealfall gleichmäßig – in der Kita zu verteilen. Die Belastung, die durch die/den nicht anwesende/n Erzieher/in dadurch steigt, dass die Erzieher/innen-Kind-Relation sich erhöht, verteilt sich gleichmäßig auf alle 5 verbliebenen Erzieher/innen.

Dies darf allerdings nicht als Ausnahmesituation betrachtet werden, sondern muss als „täglicher Normalfall“ in der pädagogischen Konzeption vorweggenommen werden. Denn es fehlt ja täglich mindestens ein/e Erzieher/in!

Es muss also eine pädagogische Arbeit geplant werden, die über die Gruppen hinaus inhaltlich abgesprochen ist und es jeder/m einzelnen Kollegin/en ermöglicht, auch beim Ausfall ihrer/seines Kollegin/en „ganz normal“ weiter arbeiten zu können, weil die Kinder sowieso jeden Tag in das ganze Haus ausschwärmen und bei anderen Kolleg/inn/en mitmachen können.

Es sei noch mal daran erinnert, dass natürlich der Ausfall einer/s Kollegin/en immer die Arbeitssituation der Verbleibenden verschlechtert. Wenn also statt 6 Angeboten nur noch 5 stattfinden, weil jemand auf Fortbildung ist, kommen mehr Kinder in jedes Angebot. Aber ob einige Kinder mehr in ein Angebot kommen oder gar kein Angebot mehr stattfindet, weil man es mit 25 Kindern nicht allein schafft, das macht halt doch einen Unterschied.

Solche Schritte hin zu teiloffenen Arbeitsformen bedürfen allerdings gründlicher inhaltlicher Vorbereitung und laufender, ausgezeichnet geplanter Kommunikation im gesamten Team.

Wie man es also dreht und wendet: die Idee, 2 Erzieher/innen könnten mit den auf sie personalschlüsselmäßig „entfallenden“ Kindern einen Mikrokosmos planen und aufrechterhalten und müssten sich für den „Rest“ des Hauses nicht interessieren, funktioniert nicht und kann auch nicht funktionsfähig gemacht werden. Im Gegenteil: sie ist die wichtigste Ursache für Stress und hohe Arbeitsbelastung der Erzieher/innen.

Damit eine Kita kontinuierliche, verlässliche Strukturen sowohl für die Planung der pädagogischen Arbeit, aber auch für die Planung der Arbeitssituation der/des einzelnen Erzieherin/s entwickeln kann, die die wilde Fahrt der Berg- und Talbahn der Arbeitsbelastung der Erzieher/innen zumindest verlangsamen, bedarf es also einer gemeinsamen Anstrengung und eines gemeinsamen Entwicklungswegs des gesamten Teams.

Wer sich bereits auf diesen Weg gemacht und zumindest ein Gutteil zurückgelegt hat, wird bestätigen können, dass sein Team nicht nur fachlich, sondern auch persönlich besser dasteht: wenn die pädagogische Arbeit gut läuft, ist auch die Arbeitszufriedenheit der Erzieher/innen höher und damit ihre Gesundheit besser.

 

 

aus einem Artikel für "kita aktuell"